Wolfgang Beltracchi, 2018
Die Erziehung des Achill
Handschrift: Römische Freskenmalerei, Neapel, 2. Jh. n. Chr.
Fresco, Secco, 100 x 125 cm

»Die Eikones (‚Bilder‘) sind das wohl bedeutendste Werk der Kunstkritik, das uns aus der klassischen Antike überliefert ist. Es wurde im 3. nachchristlichen Jahrhundert auf Griechisch verfasst, vom älteren Philostrat, einem Meister der Rhetorik und der Philosophie. Der Text besteht aus rund 65 Beschreibungen von Gemälden, die sich angeblich in einer Villa in der Bucht von Neapel befunden haben. In seiner Auseinandersetzung mit den Gemälden und indem er seine Kommentare in einen erzieherischen Rahmen bettet, gelingt Philostrat ein Lehrstück der künstlerischen Wertschätzung: Seine Beschreibungen loten die Grenzen der Malerei aus und umgekehrt das Versprechen und Versagen der Sprache, ein visuelles Medium angemessen darzustellen. Seit der Wiederentdeckung des Werkes in der Renaissance hat Philostrats Text Künstler dazu angeregt, die geschilderten Werke neu zu erschaffen. Auch im 21. Jahrhundert noch sind die Eikones eine herausragende kreative Übung der kunstkritischen Beschwörung: Die beschriebenen Bilder fehlen, doch Philostrat wendet sich an das innere Auge unserer Vorstellugskraft.«

Dr. Michael Squire, Professor für antike Kunst, King’s College London

Die „Eikones“ aus dem 3. Jahrhundert sind die ersten dokumentierten Bildbeschreibungen. Beltracchi zeigt eines ihrer Motive: Achill und seinen Lehrer Chiron. So hätte das Fresko im 2. Jahrhundert in Neapel entstanden sein können. Ferner identifiziert er den Lehrer mit dem Philosophenkaiser Mark Aurel. Erziehung beruhte in der Antike auf Vorbildern, auf griechischen Mythen und den großen Männern der Gegenwart. Verschriftet und abgebildet wirkt diese Vergangenheit und Vorvergangenheit der europäischen Kultur bis heute. Die „Eikones“ stehen in einem pädagogischen Rahmen: Einem Zögling wird beim Rundgang durch eine Galerie die Bedeutung der Motive erklärt. Ob es sie je gegeben hat, ist eine offene Frage. Vielleicht waren die Beschreibungen nur eine rhetorische Fingerübung.