Wolfgang Beltracchi, 2018
Die Austreibung der Dämonen bei Maria Magdalena
Handschrift: Dierick Bouts der Ältere, 1470, Löwen
Tempera und Öl auf Holz, 42 x 34,5 cm

»Auf unzähligen Bildern tritt Maria von Magdala als Buhle und Reuerin in Erscheinung. Das Unerhörte daran ist, dass kein einziger Evangelist auch nur andeutet, dass die Magdalenerin eine stadtbekannte Kurtisane war. Diese abwegige Vorstellung beruht vor allem auf einer Fehlinterpretation neutestamentlicher Texte. Der erste findet sich im Lukasevangelium, wo die Rede ist von einer nicht mit Namen genannten Sünderin, welche Jesus im Haus eines Pharisäers aufsucht, seine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie anschließend mit Öl salbt. Eine ähnliche Szene findet sich im Johannesevangelium. Dort ist es Maria von Betanien, welche Jesu Füße im Beisein ihres Bruders Lazarus und ihrer Schwester Marta mit kostbarem Nardenöl pflegt. Die Ähnlichkeit der beiden Episoden hat dazu beigetragen, dass die namenlose Sünderin bei Lukas schon bald mit Maria aus Betanien identifiziert wurde. Diese frühe, völlig unbegründete Gleichsetzung greift die um 1260 entstandene Legenda aurea, das meistgelesene Erbauungsbuch des Mittelalters, auf. Ins Bild dieser angeblichen Sünderin wiederum fügte sich dann bestens jene Bemerkung im Lukasevangelium, dass „aus ihr sieben Dämonen ausgefahren waren“ (Lukas 8:2). Fantasiebegabten Schriftgelehrten ist es zu verdanken, dass die Frau aus Magdala von einer Vergangenheit eingeholt wurde, die nicht die ihre war.«

Dr. Josef Imbach, kath. Theologe

Dierick Bouts stellte Magdalena auf mehreren Gemälden dar, doch keines von ihnen zeigt die Austreibung ihrer Dämonen, die Magdalenas Rolle und damit die Stellung der Frau seit dem Frühchristentum belastete. Jeanne d’Arc war 1431 unter anderem wegen der Anbetung von Dämonen verurteilt worden. Wenige Jahrzehnte später wurde sie rehabilitiert – aber die Rolle der Frau in der Kirche verbesserte das nicht. In Beltracchis Gemälde sehen wir zudem, wie sehr sich die bildliche Darstellung vom Mittelalter zur Neuzeit verändert: Wie die Dämonen den Leib verlassen, so verschwindet auch die chiffrierte Darstellung des Mittelalters aus den Gemälden. Der Mensch steht nun in einem perspektivisch berechneten Bildraum.