Wolfgang Beltracchi, 2018
Les Illégalistes
Handschrift: Umberto Boccioni, 1912, Paris
Öl auf Leinwand, 98,5 x 99,5 cm

»Die Geschichte vom Überfall der berüchtigten, anarchistischen Bonnot-Bande auf die Bank Société Générale 1911 muss die bildliche Vorstellung des jungen Boccioni wie ein Blitz durchschossen haben: Ein Auto in der Menschenmenge, der bewaffnete Angriff, das Blut, die Schüsse auf die Leute, die Pa-nik, das Drama, die Flucht mit dem Wagen bei höchster Geschwindigkeit, die Verfolgungsjagd der Polizei… Es war kurz vor der Ausstellung in der Gallerie Bernheim-Jeune, die der Welt die Sprengkraft der Malerei des italienischen Futurismus zeigte: Das Motiv des brutalen Überfalls wäre ein Schock, doch Boccioni wird keine Zeit haben es zu malen. Beltracchi hält das Ereignis nun über ein Jahrhundert spä-ter fest. Es ist das heilige Recht eines intelligenten und genialen Künstlers, mit den Künstlern der Ver-gangenheit zu spielen. Oder ist es in Wahrheit eine Herausforderung der Malerei und ihrer Geschichte, ein „Duell“ also zwischen zwei Künstlern? Auch darin hat Beltracchi bereits zahlreiche Vorgänger, auch einige höchst geniale, in allen Jahrhunderten. Flüsternd empfehle ich, die Freiheit, den Mut, die Leiden-schaft und die Qualität der Malerei zu betrachten. Jetzt, da das Gemälde vor uns hängt, liegt das Urteil allein bei uns.«

Andrea Bellieni, Direktor und Konservator des Museo Correr, Venedig

Den ersten Raubüberfall mit einem Auto als Fluchtfahrzeug verübte im Dezember 1911 eine Anarchis-tenbande um den Anführer Jules Bonnot. Sie schossen einen Geldboten der Großbank Société Générale nieder, feuerten Warnschüsse auf eine Menschenmenge und fuhren in einem gestohlenen Delaunay-Belville, Baujahr 1910, davon. Die Polizei musste die Verfolgung per Fahrrad und Pferd bald aufgeben. Mehrere Monate hielt die Bande mit spektakulären Überfällen Paris in Atem. Dort eröffnete eben die erste Futuristen-Ausstellung, die sich selbst als Überfall auf den etablierten Kunstbetrieb ver-stand. Die Gegenwart sollte als Rausch der Geschwindigkeit festgehalten werden, die Bewegung gibt das Gemälde in zersplitterten Formen gleichzeitig wieder.