Treasure Rooms

Mauro Fiorese

Verborgene Schätze im Museumsdepot

Unbemerkt von der Öffentlichkeit leisten die Museen einen bedeutenden Beitrag zu unserer Kultur: Die Kunstschätze der Welt werden von ihnen nämlich nicht nur ausgestellt, sondern vor allem bewahrt, restauriert und erforscht. Die Sammlungen enthalten weit mehr Werke, als gezeigt werden. In den großen Häusern kommen meist nur zehn Prozent der Sammlung in die Ausstellungen; der Rest liegt im Depot. Den Zauber des Verborgenen, das Unbehagenen des Vergessenen, den Reiz und die Komik des Enthüllten hält Mauro Fiorese in seinen Aufnahmen fest. Fragen über die Bedeutung der Kunst (für den Künstler, die Nachwelt und die Geschichte) sind dabei stets präsent.

2014 begann die Mauro Fiorese die nun preisgekrönte Serie »Treasure Rooms« aus der 15 Aufnahmen Teil von »KAIROS. Der richtige Moment« sind. Das mit Christian Zott und Wolfgang Beltracchi begonnene Projekt lag Fiorese bis zu seinem frühen Tod 2016 am Herzen. Danach erweiterte Seine Assistentin Valentina Zamboni die Serie für KAIROS um fünf Aufnahmen aus weiteren Europäischen Museen. 

Treasure Rooms of the Museo Archeologico Nazionale - Napoli

Mauro Fiorese: Treasure Rooms of the National Archeological Museum – Naples, 2015

Statuen, Köpfe und Torsi liegen und lagern in einem hohen Saal, als warteten sie darauf, von der Flora einer arkadischen Landschaft überwuchert oder in die Bilderwelt de Chiricos versetzt zu werden. »Fragile« steht auf einer Transportkiste – und doch scheint nichts unverwüstlicher zu sein als diese Fundstücke einer vergangenen Kultur.

Mauro Fioreses Fotografie entstand im Depot des Museo Archeologico Nazionale in Neapel. Das MANN geht auf den Bourbonenkönig Karl III. von Spanien zurück, der als König von Neapel und Sizilien die Antikensammlung seiner Mutter – die Farnese-Sammlung – um Fundstücke aus Herculaneum und Pompeji ergänzte. Unter seiner Regentschaft begannen ab 1738 die Ausgrabungen in den beiden Orten. Die Artefakte, die man dort fand, bilden noch heute das Herzstück der etwa 275.000 Objekte umfassenden Sammlung des MANN. Es ist unbestritten eine der ältesten und bedeutendsten archäologischen Sammlungen Europas.

Fiorese komponiert die Fotografien durch die sorgfältige Positionierung der Kamera und die Auswahl des Bildausschnitts. Oft entstehen überraschende Effekte: Neue Bildräume öffnen sich, Werke aus verschiedenen Jahrhunderten und aus verschiedenen Gattungen treten in einen Dialog. Die Arbeiten erwecken so den Eindruck, der Fotograf kuratiere eine imaginäre Ausstellung. Durch die Verwendung von Baumwollpapier für den Druck und durch die Rahmung unter Glas im hölzernen Museumsrahmen sind die Fotografien mit den abgebildeten Kunstwerken verbunden. Die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie, zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen.

Mauro Fiorese (1970–2016)

war ein international beachteter Fotograf, überdies Dozent und Kurator. Seine Arbeiten wurden auf der 54. Biennale in Venedig gezeigt. 1998 begann Fiorese seine Tätigkeit als Dozent an der Universität Verona und am Institute for European Design in Mailand. Anfang 2016 wurde er im Rahmen des World Economic Forum in Davos als einer der gesellschaftlich bedeutendsten Künstler weltweit ausgezeichnet. Vor seinem frühen Tod 2016 arbeitete er mit der Galerie Boxart in Verona an der vielbeachteten Serie »Treasure Rooms«, die 2015 den Hauptpreis der Mailänder Fotomesse gewann. Seiner Zusammenarbeit und Freundschaft mit Initiator Christian Zott ist diese Ausstellung zu verdanken.

Wie kamen Sie auf die Idee, die Depots großer Museen zu fotografieren?

Eine solche Idee kommt natürlich nicht wie eine plötzliche, unvorhergesehene Erleuchtung. Sie hat sich eher Schritt für Schritt entwickelt. Der Funke kam mir in meinem Studio während eines Gesprächs mit Freunden, als wir vor einer meiner Produktionen standen und zu diskutieren begannen. Wir sprachen über die Vielfalt und die enorme Menge an Kunstwerken, die unsere Vorfahren in Italien erschaffen hatten, die aber leider dem Großteil der Menschen verborgen bleiben. Aus diesem Gespräch entstand dann schließlich die Idee zu den »Treasure Rooms«.

Wie sind Sie vorgegangen?

Ich habe die Dinge nicht arrangiert, sondern mich selbst positioniert, um die Atmosphäre dieser sonst unzugänglichen Orte mit ihrer speziellen Aura einzufangen. Das Konzept geht dabei weit über die Fotografie hinaus. Nicht umsonst haben wir das fotografische Bild, das eine zeitgenössische Kunstform ist, in einen universellen Bilderrahmen gesetzt, einen – sagen wir – flämischen Rahmen mit Messingschild. Wie ein Behälter, der an den Ort erinnert, den niemand sehen kann.

 

Mauro Fiorese: Treasure Rooms of the Galleria d’Arte Moderna – Turin, 2014

Ein großformatiges Gemälde auf Schaumstoffpolstern im Depot: Es stammt aus der Werkstatt Enrico Gambas (1831–1883) und zeigt das Begräbnis Tizians. Der Maler, der 1576 an der Pest starb, erhält ein feierliches Begräbnis, das Gemälde zeigt, wie der Leichnam in einer Barke überführt wird, während links die nackten Körper der Pesttoten auf dem Boden liegen. Das Gemälde, das die Bedeutung der unsterblichen Kunst und des sterblichen Künstlers reflektiert, ist selbst in Vergessenheit geraten. Fiorese rückt es ins Zentrum seiner sorgfältig komponierten Fotografie, in der die Grenzen von Raum und Bild verschwimmen.

Mauro Fiorese: Treasure Rooms of the Ca’ Pesaro – Venice, 2015

Im Palazzo Ca’ Pesaro am Canal Grande, ist hinter einer prächtigen Marmorfassade eine vielseitige städtische Sammlung zu besichtigen, geprägt von den modernen Einflüssen der Biennale im 20. Jahrhundert. In Fioreses Aufnahme im Deopt sind neben anderen Werke von Fortunato Depero, Cagnaccio di San Pietro und von Alexander Calder zu erkennen. Das großformatige Ölgemälde links in der Aufnahme stammt von Ettore Tito und zeigt die Einweihung des neuen Glockenturms auf dem Markusplatz im Jahr 1912. 

Neben den vorgestellten Beispielen zeigen die Treasure-Rooms-Fotografien in der Kairos-Ausstellung zeigen die Depots der folgenden Museen:

 

  • Galleria Borghese, Rom
  • Museo Nazionale di Capodimonte, Neapel
  • Castelvecchio, Verona
  • Museum Correr, Venedig
  • MART, Rovereto
  • Galleria d’Arte Moderna, Turin
  • Uffizien, Florenz
  • Gallerie d’Italia, Vicenza
  • Belvedere, Wien
  • British Museum, London
  • Museum Folkwang, Essen
  • Museo Arqueológico Nacional, Madrid
  • Victoria and Albert Museum, London

Weitere »Treasure Rooms« hält Mauro Fioreses Veroneser Galerie: Galleria Gaburro

Headerbild: Treasure Rooms of the British Museum – London, 2017 von Valentina Zamboni/Mauro Fiorese