Interview mit Stefan Hauser
Thema des Wettbewerbs ist der menschliche Körper. Ist der menschliche Körper die Königsdisziplin der Bildhauerei?
Na ja, Königsdisziplin gerade nicht, aber für mich ein wichtiges zentrales Ausdrucksmittel. Die Faszination über die körperliche und seelische Sensibilität des Menschen – diese zum Ausdruck zu bringen, motiviert mich.
Skulpturale Darstellungen des menschlichen Körpers gibt es seit der Jungsteinzeit. Lassen sich noch neue skulpturale Formen für dieses Sujet finden? Und ist die Formenfülle der Vergangenheit eine Bereicherung oder ein Hindernis für Ihre Arbeit?
Die Vergangenheit der skulpturalen Darstellungen ist auf jeden Fall eine Bereicherung. Wie Sie sehen können, lassen sich auch heute noch Formen für dieses Sujet finden.
Die unbetitelte Skulptur einer Badenden, mit der Sie an unserem Kunstwettbewerb teilgenommen haben, ruft mit ihrem umwickelten Haar und ihrem stillen Ausdruck kunstgeschichtliche Assoziationen hervor – bei mir mit einem niederländischen Interieur. Hatten Sie an die großen Meister gedacht? Ist die Malerei eine Inspirationsquelle für die Bildhauerei?
Nein, an die großen Meister denke ich nicht, wenn ich meinen Skulpturen die Formen gebe. Die Malerei inspiriert mich dabei nicht.
Sie leben und arbeiten in Oberammergau, an einem Ort, wo die Holzschnitzkunst eine lange Tradition hat. Empfinden Sie diese Tradition als eine Bereicherung für ihre künstlerische Arbeit?
Es ist gewissermaßen schon bereichernd und stimulierend, traditionelle Holzschnitzereien und viele andere Kunstschaffende um sich herum zu haben.
Stefan Hauser
OHNE TITEL (2017)
Lindenholz, 110 cm (H)
(c) Stefan Hauser
Das Werk gewann den dritten Preis des Kunstwettbewerbs der mSE Kunsthalle zum Thema DER MENSCHLICHE KÖRPER
Ihre Skulpturen zeichnen sich durch ein sehr natürliches, authentisches Körperbild aus. Wie nahe kann oder soll man der Natur in einem Kunstwerk kommen?
Gute Frage! Es soll nicht nur eine exakte Kopie der Natur werden, sondern ich möchte einen eigenen Affekt zum Ausdruck bringen. Die Skulptur darf sich nicht nur auf ihre Schönheit berufen, sondern sie soll mich innerlich berühren und ansprechen. Ich suche nach einem gewissen Etwas.
Wie wissen Sie, wann ein Werk fertig ist?
Das weiß ich erst, wenn mir nichts mehr auffällt, was mich an meiner Arbeit stört. Das kann manchmal Wochen dauern.
Ist die Bildhauerei vor allem eine Sache des Kopfes, der Hände, des richtigen Blicks, des Gefühls, …?
Die Bildhauerei ist alles in allem. Es ist ein Zusammenspiel von Kopf, Händen, Augen und vor allem das richtige Gefühl.
Manche Ihrer Skulpturen sind bemalt, wobei die Bemalung von der Farbe eines menschlichen Körpers abstrahiert oder jedenfalls mehr vereinfacht als die Form der Skulptur. Macht die Abstraktion etwas sichtbar?
Ja, durch die dezente Bemalung, die dann nochmal überarbeitet wird, werden Arbeitsspuren sichtbar gemacht. Somit wird der Entstehungsprozess spürbarer.
Stefan Hauser
OHNE TITEL (2019)
Koloriertes Lindenholz
180 cm (H)
(c) Stefan Hauser
Ihre Skulpturen sind darauf ausgelegt, von allen Seiten betrachtet zu werden. Wie wichtig ist für Sie der Raum, der eine Skulptur umgibt? Was kennzeichnet den perfekten Sockel für eine Skulptur? Ist er Teil des Werks?
Der Raum, der die Skulptur umgibt, hat eine wichtige Bedeutung. Der Sockel einer Figur sollte nicht zu aufdringlich sein und sich dezent dem Kunstwerk unterordnen. Es sollte eine harmonische Einheit entstehen.
Sollte eine Skulptur nicht nur von verschiedenen Seiten, sondern auch bei verschiedener Beleuchtung betrachtet werden? Leuchten Sie die Figur im Entstehungsprozess unterschiedlich aus?
Jawohl, das ist richtig. Die Figur wird im Entstehungsprozess mit unterschiedlicher Beleuchtung von verschiedenen Seiten betrachtet. Dadurch werden Fehler sichtbarer.
Die Größe einer Skulptur ist bei der menschlichen Figur besonders auffällig, weil der Betrachter sich selbst als Maßstab mitbringt. Wie entscheiden Sie, ob eine Figur lebensgroß, überlebensgroß oder unterlebensgroß sein soll? Oder funktioniert eine gute Figur in jeder Größe?
Grundsätzlich funktioniert eine gute Figur in jeder Größe. Zuerst fertige ich das Modell in Ton an, dann suche ich mir das richtige zur Verfügung stehende Holz aus. Danach richtet sich die Größe der Figur.
Wie lange ist eine Holzskulptur haltbar? Beschäftigt es Sie, dass Sie Objekte schaffen, die der Nachwelt erhalten bleiben?
Ja, das beschäftigt mich manchmal schon. Wenn ich Skulpturen in Holz aus dem 18. Jahrhundert sehe, wieviel bzw. wie wenig noch übriggeblieben ist, die vom Wurm zerfressen sind, oder Opfer des Feuers wurden. Da stelle ich mir meine Figuren in 200 Jahren vor. Aber nichts besteht unendlich, denke ich dann.
Stefan Hauser
OHNE TITEL (2018)
Koloriertes Lindenholz
174 cm (H)
(c) Stefan Hauser
Anders als bei Figuren, die in einem Gussverfahren hergestellt werden, kann es bei einer Holzfigur nur ein einziges Exemplar geben. Ist das ein besonderer Reiz des Mediums? Und fällt es Ihnen schwer, ein Werk, an dem Sie unzählige Stunden gearbeitet haben, fortzugeben?
Das ist eine schöne Frage. Die Anfertigung eines Einzelstückes hat für mich einen besonderen Reiz. Ich investiere viel Eigenenergie und Emotion in meine Werke. Dadurch sind sie ein persönlicher Teil von mir geworden. Deswegen fällt es mir schwer, mich davon zu trennen.
Eine Tatsache, die heutzutage auffällt: Sie haben als Künstler keine Webseite und kein Instagram. [Seit 2022 hat Stefan Hauser die Webseite holzbildhauser.de] Versuchen Sie, sich rauszuhalten aus der digitalen Welt? Und braucht ein Künstler Follower, Fans, Bewunderer, Sammler – oder nichts von alledem?
Sehr interessante Frage, die ich mir schon seit Jahren stelle. Eine eigene Webseite war für mich nur in Zusammenhang eines Vermarktungszweckes wichtig. Aber inzwischen denke ich anders darüber. Seit zwei Jahren bin ich tatsächlich auf Facebook zu finden. Ich wollte mich eigentlich schon vor der Pandemie nach einem Webdesigner umschauen. Dann kam Corona dazwischen. Dann hatte ich wieder eine Ausrede (lächelt). Auch der Kostenfaktor einer professionellen Webseite hat mich immer etwas abgeschreckt. Den Nutzen einer Webseite und die hohen Kosten, standen für mich in keiner Relation zueinander.
Bei meinem künstlerischen Schaffen ist mir eine besondere Qualität des Fühlens wichtig. Beim Entstehungsprozess hatte ich nicht wirklich den Gedanken, meine Arbeiten zu vermarkten. Ich arbeite gerne frei und ungezwungen. Der Zauber, die Magie und die Freude an meiner Arbeit sind wie ein wertvoller Schatz in mir drinnen, den ich mir bewahren möchte.
Interview von Andreas Pawlitschko