Malerei ohne Grenzen
Vielfalt der Stile
20. Jahrhundert
Vielfalt der Stile: Max Beckmann malt die politischen Gräuel
Anders als alle früheren Epochen und Strömungen kennzeichnet das 20. Jahrhundert weniger ein gemeinsamer künstlerischer Stil, sondern die Vielfalt. Seite an Seite stehen Zeitgenossen wie Max Beckmann, Francis Bacon oder Niki de Saint Phalle beispielhaft für die Entwicklung von einer epochenübergreifenden Stilprägung hin zu Künstlern mit voneinander unabhängigen Bildsprachen. So unterschiedlich ihr Stil, sind sie doch alle Meister der Moderne. Der heute mit am höchsten gehandelten Künstler dieser Zeit ist Max Beckmann.
Max Beckmann war besessen von der Malerei. Mit ihr wollte er »das Mysterium des Daseins« erfassen. »Ich würde mich durch sämtliche Kloaken der Welt […] hindurchwinden, um zu malen«, schrieb er 1915 an seine Frau. Mit seiner selbst empfundenen »furchtbaren, vitalen Sinnlichkeit« durchdrang er das Sichtbare und veränderte es mit künstlerischen Mitteln so, dass die dahinterliegenden Wahrheiten erkennbar würden.
Der Erste Weltkrieg, dessen Abgründe er als Sanitätshelfer hautnah erlebt hatte, hinterließ Beckmann desillusioniert. Wo war die Menschlichkeit, die Nächstenliebe, wo war Gott? Katastrophen und das Scheitern spielten fortan eine große Rolle in seinem Oeuvre.
Der Maler verweigerte sich der Abstraktion, der sich viele seiner Zeitgenossen zuwandten. Sein Werk strotzt vor Ausdruckskraft. Er malte auf eine neue, radikale Weise figurativ: kantig, kalt und klar konturiert. Der strenge Bildaufbau verleiht den Gemälden etwas Unausweichliches – passend zu den autoritären Mächten seiner Zeit. Schwarze Linien nutze er zunächst als Gitter für die Bildkonstruktion. Später treten sie als die Beckmann-typischen Umrisslinien in den Vordergrund und verleihen seinen Figuren ihre Härte und Wucht. Im Laufe der Zeit verbindet der oft als Expressionist eingeordnete Maler immer mehr Malweisen in einem Bild. So stehen dünne Lasuren, die die Struktur der Leinwand als Gestaltungselement nutzen, neben dickem Farbauftrag, der mal matt, mal glänzend ausfällt, je nach Zusatz von Terpentin.
Fast 100 Jahre nach der Ermordung von Rosa Luxemburg widmet sich Wolfgang Beltracchi dem Thema in der Handschrift von Max Beckmann aus den 1940er Jahren. Das Werk »Eden« zeigt die Folterung der KPD-Führerin sexualisiert und – wie für Beckmanns Spätwerk typisch – symbolisch aufgeladen.
Nach dem ersten Weltkrieg sah Beckmann, wie sich die Straßen mit verbitterten Soldaten füllten, das Land in Hunger und Chaos zu versinken drohte und links- und rechtsradikale Strömungen aufkamen. Er selbst sympathisierte mit dem Sozialismus. Die Liquidation der KPD-Führerin Rosa Luxemburg Anfang 1919 veranlasste ihn zu einer Lithografie für die Mappe Die Hölle. Das dritte von zehn Blättern unter dem Titel Das Martyrium zeigt die Misshandlungen der KPD-Führerin kurz vor ihrer Ermordung. Zusammen mit Karl Liebknecht war sie nach dem gescheiterten Spartakusaufstand in das Hotel Eden verschleppt worden, wo sie von Soldaten und Offizieren verhört und gefoltert wurden. Beltracchis großformatiges Gemälde mit dem Titel »Eden« in der Handschrift Beckmanns von 1948 ist eine für den Künstler nicht ungewöhnliche Übertragung eines Motivs von Papier auf Leinwand. Wolfgang Beltracchi lässt Beckmann aus der Distanz von fast drei Jahrzehnten auf die Gräueltat zurückschauen. Sinnbildlich hierfür ist das Selbstporträt Beckmanns in der Bildmitte, ebenso wie Reminiszenzen an seine Zeitgenossen Max Pechstein und Otto Dix. Das Gemälde zeigt die Entwicklung der Handschrift Beckmanns von 1919 zu den späten 40er Jahren. Die Szene wird jetzt deutungsvoll, religiös und mythologisch beleuchtet. Die Bildergalerie zeigt, wie Wolfgang Beltracchi »Eden« malt.
Malerei im 20. Jahrhundert
1. Neuer Materialreichtum
Eine erweiterte Farbpalette, moderne Stoffe und die Entdeckung, dass Kunst nicht nur auf der klassischen Leinwand funktioniert – das 20. Jahrhundert bietet dem Künstler neue Wege und Möglichkeiten, sich zu entfalten. Das radikal Andere und Außergewöhnliche wird für Revolutionäre wie Jackson Pollock, Joseph Beuys oder Andy Warhol zum Markenzeichen.
2. Reaktion auf die Kriege
Der Erste Weltkrieg führt zu einer starken künstlerischen Auseinandersetzung mit der Gewalt und dem folgenden Elend. Das spiegelt sich u.a. in den Werken von Max Beckmann, Goerge Grosz, Otto Dix und Käthe Kollwitz und ihrem Realismus wieder. Andere Maler wie Paul Klee oder Hans Arp distanzieren sich deutlich von der Realitätsnähe. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg suchen immer mehr Künstler den Neuanfang.
3. Medial beeinflusst
Das erste Foto entstand 1826. Der erste Film lief 1895 über die Leinwand. Mit dem Gefühl, dass die Malerei an ein Ende gekommen ist, beginnen Künstler mit den neuen Medien zu experimentieren. Das überraschende Ergebnis: Fotografie und Film verhelfen gerade in der Malerei zu neuen Ideen.
4. Wandelbar
Die stilistische Flexibilität macht sich nicht nur zwischen den Künstlern, sondern auch innerhalb ihres jeweiligen Gesamtwerkes bemerkbar. Der 1884 geborene Max Beckmann beginnt als Impressionist und schließt sich für kurze Zeit der Berliner Secession an, entwickelt dann aber einen eigenen, figurativen Stil, den er immer wieder anders einsetzt. So zählen Teile seines Gesamtwerkes auch zum Expressionismus und der Malerei der neuen Sachlichkeit.
5. Global inspiriert
Im 20. Jahrhundert wächst die Welt soweit zusammen, dass es mehr und mehr Einflüsse aus allen Himmelsrichtungen gibt. Der moderne Künstler kennt auch die Kunst Afrikas, Amerikas und Asiens. Diese Einflüsse zeigen sich etwa bei Wassiliy Kandinsky und Franz Marc. Sie finden in afrikanischen Masken Inspirationen für ihre eigenen Werke. Ihr Zeitgenosse Matisse dagegen reist u.a. in das ferne Tahiti und experimentiert mit neuen Motiven. Stilistisch ist das 20. Jahrhundert auf der Suche.
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