Wolfgang Beltracchi, 2018
Der Philosoph
Handschrift: Johannes Vermeer, 1670, Delft
Öl auf Leinwand, 48 x 42 cm

»Spinoza war der originellste und radikalste Philosoph seiner Zeit. Seine Ablehnung des schicksalsleitenden Gottes der abra-hamitischen Religionen, seine Leugnung der Möglichkeit von Wundern, seine Behauptung, dass die Bibel nur ein literarisches Werk sei, und seine Anklage, die großen organisierten Religionen seien lediglich organisierter Aberglaube, führten zu Verur-teilungen durch kirchliche und zivile Autoritäten, wobei der Begriff „Spinozismus“ in ihrer Vorstellung gleichbedeutend mit „Atheismus“ wurde. Von allen Denkern der frühen Neuzeit ist Spinoza für uns heute der bedeutendste. Seine Argumente für eine demokratische, säkulare und tolerante Gesellschaft sind jetzt ebenso wichtig wie im Europa des 17. Jahrhunderts. Es gibt keinen Beweis dafür, dass Spinoza und Vermeer sich jemals getroffen haben, doch ihre Wege hätten sich in Den Haag kreuzen können, wo der inzwischen berüchtigte Spinoza um 1670 lebte und wo sich Vermeer, der in Delft lebte, gelegentlich zu Geschäften aufhielt. «

Professor Steven Nadler, University of Wisconsin–Madison

Baruch de Spinoza verdiente seinen Lebensunterhalt als Linsenschleifer. Wie Vermeer war er mit dem Naturwissenschaftler van Leeuwenhoek bekannt, der ein Mikroskop und andere optische Geräte entwickelte. Vermeer benutzte wahrscheinlich optische Hilfsmittel, zur Arbeit an seinen Gemälden. Beltracchi greift für den „Philosophen“ auf den Eindruck der Camera obscura zurück und ergänzt mit seinem Gemälde Vermeers Bilderpaar des „Astronomen“ und des „Geographen“ um einen dritten Wissenschaftler. Dieser will zwar statt der äußeren die innere Welt vermessen, ist dabei jedoch nicht weniger auf genaues Sehen und präzises Denken angewiesen. Im 17. Jahrhundert erlebten die Niederlande im sogenannten Goldenen Zeitalter eine beispiellose kulturelle Blüte in Wirtschaft und Kunst, aber auch in der Wissenschaft.