Es lebe der Alltag

Goldenes Zeitalter

17. Jahrhundert

Goldenes Zeitalter: Der neue Alltag im Licht von Vermeer

Während in den klerikal und feudal geprägten Regionen Europas der Barock seine üppigen Blüten treibt, entwickelt sich in den Niederlanden andere, nüchternere Stilrichtung. Sie findet ihre Motive im Alltag einer wachsenden Mittelschicht, die in der jungen, toleranten und weltoffenen Republik, mit ihrem florierenden Handel zu Wohlstand kommt. Sie sehnt sich nach Motiven aus dem eigenen erfolgreichen Leben und weckt so eine nie gesehene Nachfrage nach Kunst: Hunderte Maler produzieren wie am Fließband Genrebilder, Porträts, Stillleben und anderen Gattungen. Anders Jan Vermeer. Von ihm sind nur 37 Gemälde bekannt, überwiegend absolute Meisterwerke. Ihr Geheimnis liegt in der anmutigen Haltung der Menschen, vor allem aber in dem besonderen Licht. Vermeers Maltechnik war revolutionär. Schon Zeitgenossen bewunderten das Spiel von Licht und Schatten, gespickt mit winzigen Reflexionen, die uns an Fotografien erinnern. Diese außergewöhnliche Technik lässt Forscher bis heute rätseln, ob und welche technischen Hilfsmittel Vermeer verwendet hat, um seine Motive »neu Sehen« zu lernen.

Versuchsaufbau

Wolfgang Beltracchi im ZOTT Artspace Munich. Nach einem Monat Planung steht das Raummodell des Ateliers in Vermeers Haus. Beltracchi experimentiert mit einer Abwandlung der Camera Obscura – ein technisches Hilfsmittel, das Vermeer benutzt haben könnte.

Die Vermessung des Himmels, der Erde und des Geistes

Das 17. Jahrhundert ist geprägt durch einen Paradigmenwechsel. Bis jetzt waren den Wissenschaften durch die Kirche enge Grenzen gesetzt. Alles, was die Existenz eines göttlichen Heilsplans infrage stellte, war verpönt, wenn nicht gar unterdrückt. Doch Seefahrer und Kaufleute konnten auf Sternenkunde und Kartografie nicht verzichten – und so wurden Himmel und Erde mit neuen Methoden erkundet und vermessen. Diesen Fortschritt hält Jan Vermeer in zwei berühmten Parallelgemälden fest: 1668 malt er den »Astronom« und beginnt noch im gleichen Jahr mit dem »Geographen«.

Zur gleichen Zeit stellt Baruch de Spinoza sein Gedankengebäude auf, demzufolge es keinen Dualismus zwischen dem Weltgeschehen auf der einen Seite und einer Gottheit auf der anderen Seite gibt, sondern eine Einheit von Gott und der Welt. Mit diesem bahnbrechenden Ansatz wird der Philosoph zu einem der großen Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts.

Für Jan Vermeer hätte er demnach neben dem Astronomen und dem Geographen das dritte Wissenschafts-Motiv liefern können. Zumal der Maler den ebenfalls im niederländischen Delft lebenden Spinoza ja kannte. Vielleicht hat Vermeer bei ihm sogar jene Linsen bestellt, mit Hilfe derer er seine bis heute einzigartigen Lichteffekte auf schattigen Grund gesehen haben könnte. Doch wie nachhaltig der Einfluss des anonym veröffentlichten philosophischen Werks Spinozas auf die moderne Welt sein sollte, wurde erst später klar. Mit dem Wissensvorsprung von mehr als 250 Jahren malt Wolfgang Beltracchi den Philosophen in einer Stube, wie sie schon für den Astronomen und den Geographen zur Kulisse wurde.

Modell im Vermeer-Zimmer

Orientiert an den Gemälden »Der Astronom« und »Der Geograph« hat das Team von ZOTT Artspace eine Vermeer-Stube nachgebaut. Mit Testaufnahmen wie dieser wird der Bildaufbau überprüft.

Entwicklungsstufe des Gemäldes

Am Anfang steht der Punkt. Die ersten Untermalungen kommen auf die Skizze, die jedes Detail festlegt, mit dem besonderen Augenmerk auf den Fluchtpunkt und die davon ausgehend korrekte Perspektive. Die Linse dient als Metapher für das neue Sehen und den neuen Geist der Zeit.

Detail im Zimmer: Das Tintenglas
Die Fotografie zeigt die Lichtpunkte auf dem Tintenfass, die durch Spiegelungen und Reflexionen des Lichts auf der Oberfläche entstehen.
Detail im Gemälde
So kann der Maler die für die Handschrift Vermeers charakteristischen Lichtpunkte setzen.

Das goldene Zeitalter

Von der wirtschaftlichen Blütezeit der jungen Republik der Niederlande profitierten die Künste in beispiellosem Ausmaß. Mitte des 17. Jahrhunderts sollen jährlich mehrere zigtausend Werke auf den Markt gespült worden sein. Obwohl nur noch rund zehn Prozent davon existieren, sind die Niederländer in fast allen Museen mit alter Kunst vertreten.

1. Erfolg ganz plastisch

Das goldene Zeitalter bringt Händler, Kaufleute, Handwerker, Bauern zu Wohlstand. Ihren Status wollen sie in der Kunst entdecken. Die Darstellung der alltäglichen Welt, insbesondere der des Bürgertums, rückt in den Fokus.

2. Täuschend echt

Rembrandt, Vermeer oder van der Spelt messen ihre Fähigkeiten an der Realitätsnähe ihrer Gemälde – ganz nach dem berühmten Vorbild der Antike: Damals setze sich Parrhasius mit einem täuschend echt gemalten Vorhang als besserer Maler gegenüber seinem Widersacher Zeuxis durch. Rembrandt wiederholt die Täuschung in »Die heilige Familie mit Vorhang«.

3. Räume schaffen

In der Anwendung der Perspektive zeigt sich ein Erbe der Renaissance. Durch starke Verkürzungen erhöhen die Maler jetzt die Tiefenwirkung und weiten die Bildräume aus. Diese Methode wird nicht nur auf Landschaftsmotive angewendet, sondern auch auf Ateliers, Stuben, Innenhöfe oder Festtagssäle.

4. Heimatliebe

1648 errangen die Niederlande die bitter erkämpfte Unabhängigkeit von der spanischen Krone. Die patriotischen Gefühle der Künstler schlagen sich in einem Faible für die Malerei unverkennbar niederländischer Landschaften nieder.

5. Nischenleben

Weniger namhaften Maler suchen ihr Glück mit einem Spezialgebiet. Neben der typischen Landschafts- oder Porträtmalerei setzt manch einer auch auf ausgefallene Nischen, wie z.B. Fischstilleben.

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